Lapidarium Stuttgart - Winterlichter

SportKultur Kunstfreunde von Winterlichtern begeistert

Das Städtische Lapidarium ist ein wahres Kleinod in der Stuttgarter Museumslandschaft. Ursprünglich 1905 als privater Renaissancegarten neben der Villa von Fabrikant Karl von Ostertag-Siegle an der Mörikestraße im Stuttgarter Süden angelegt, sind dort seit 1950 auf Initiative von Denkmalpfleger und Heimatforscher Gustav Wais die verborgene Pracht von über 200 Steindenkmälern von der römischen Antike bis hin zu den Resten kriegszerstörter oder für die Idee der autogerechten Stadt abgebrochener Stuttgarter Architektur zu bestaunen. Dazu gehören u.a. die kärglichen Überreste Stuttgarter Gebäude, u.a. ein Portalfragment mit Fenster des 1953 für vier(!) Parkplätze geschleiften, massiven Alten Steinhauses (erbaut um 1250), den Eingangsbogen von Baumeister Heinrich Schickhardts Wohnhaus (um 1600) sowie das Portal der großen Mühle in Berg von 1613.

Die Atmosphäre dieses steinernen Bilderbuchs der Stadtgeschichte zwischen alten Bäumen, mit seinen Terrassen, der Antikenwand und einem römischen Mosaik im Brunnenhof ist einzigartig in Stuttgart. Seit Jahrzehnten war das Lapidarium nur in den Sommermonaten zugänglich. Zum ersten Mal ist der fast ein bisschen mythisch anmutende kleine Park seit Ende November noch bis Mitte Januar unter der Überschrift „Winterlichter“ von Do.-So. in den Abendstunden geöffnet.

Diese zauberhafte Inszenierung aus Licht und Schatten, Natur und Kunst, haben die Kunstfreundinnen und Kunstfreunde der SportKultur Stuttgart bei einem einstündigen, kurzweiligen Rundgang mit Stadtführer Oliver Weber an einem kalten Abend erlebt. Vorbei an der riesigen Prunkschale aus sibirischem Jaspis aus dem Besitz von Königin Olga beeindruckt die orange-rötlich changierende Beleuchtung der Antikenwand-Reliefs als erste Station der Lichtinstallationen. Noch strahlend weißer als bei Tageslicht wirkt die angestrahlte Marmorstatue der Mondgöttin Luna. Ein unbestrittener Höhepunkt ist der Torso von Danneckers Wiesennymphe, die in einer dunklen Nische, mit weißen Lichtstreifen überzogen, wie eine fantastische Gestalt aus einer surrealen Traumwelt wirkt. Vorbei an Adolf von Donndorfs Marmorbüsten von Bismarck und Moltke sieht man schon eine in Regenbogenfarben getauchte Fenstereinfassung des dem Planiedurchlass der Straßenbahn und dem kleinen Schlossplatz geopferten ehem. Kronprinzenpalais.

Anekdoten aus alten Zeiten machen Geschichte lebendiger. An den Relikten des Hauses Weinstraße 3 (Bereich Rotebühlplatz) von 1764 erfuhren die Besucher von einem Kriegsgewinnler. Beim Schumacher Fritz Hägele waren in unruhigen Zeiten russische Offiziere einquartiert, was eine große Last war. Hägele, ein ganz Pfiffiger, fertigte den Offizieren gute Stiefel an, was seine Kasse klingeln ließen. Fortan trug er den Beinamen Russen-Schuster. Vom Gasthof und Hotel „König von England“, Dorotheenstraße 2, ist ein Portal erhalten geblieben. In diesem ersten Haus am Platze logierte der damals wohlbekannte Literat Jean Paul (1763-1825). In dem im Hause eingerichteten ersten Kaffeehaus der Stadt genoss er gerne das neue Heißgetränk. So etwas Exotisches stieß im damaligen Stuttgart auf große Skepsis. Den Abschluss des Lapidarium-Rundgangs bildete die spannende Beleuchtung der Orpheus-Bronzestatue, geschaffen 1927 von Josef Zeitler. Gestaltet haben die Winterlichter die Stuttgarter Licht- und Medienkünstler von „lichtgestalten“ sowie Simon Wallenda und Maximilian Luz. Das Fazit des Abends war für die Teilnehmer von Kunst&KulTouR eindeutig: Experiment von den Verantwortlichen gewagt, Experiment gut gelungen!

Text und Foto: Norbert Klotz      

Info: https://www.stadtpalais-stuttgart.de/museumsfamilie/staedtisches-lapidarium

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